Wird dem eigenen Anspruch leider nicht gerecht

Buchrezension: »Warum die Arche nie gefunden wird«

26.9.2016

Professor Eric H. Cline ist Direktor des Archäologischen Instituts an der George-Washington-Universität in der amerikanischen Hauptstadt. In der Einführung zu seinem Buch »Warum die Arche nie gefunden wird« beschwert er sich über die »schwärmerischen Laien«, Autodidakten und Pseudowissenschaftler, die sich mit den Geheimnissen und Wundern der Bibel beschäftigen. Er möchte dem nun als Akademiker etwas entgegensetzen, weil er überzeugt ist, »dass die allgemeine Öffentlichkeit Besseres verdient« (S. 11). Er stellt an sich den Anspruch, mit »wissenschaftlichen Methoden« und »unvoreingenommener Forschung« die Mysterien der Bibel unter die Lupe zu nehmen. Der »Junk Science« wirft er vor, »widersprüchliche Belege zu ignorieren und für ein erhabenes moralisches Ziel zu werben« (S. 10).

Leider ist es aber ebenso Eric H. Cline, der an entscheidenden Stellen in seinem Buch Belege ignoriert, die zugunsten der Glaubwürdigkeit der Bibel hervorgebracht wurden. Und dies sogar von etablierten Wissenschaftlern, deren Werke er zitiert! So beschreibt er zwar die These des Ägyptologen David Rohl, der den biblischen Garten Eden im heutigen Iran vermutet (S. 27), unterschlägt aber völlig dessen revidierte ägyptische Chronologie, die den beiden Kapiteln »Mose und der Exodus« und »Josua und die Schlacht um Jericho« gute Argumente für die Historizität des Alten Testaments hinzufügen würden. Obwohl er ein Buch von John Bimson, der ebenfalls eine geänderte Chronologie vertritt, ausdrücklich als weiterführende Literatur empfiehlt, geht er mit keinem Wort darauf ein, dass Zweifel an der gängigen Datierung der ägyptischen Epochen durchaus angebracht sind.

Als Fazit der Kapitel über Exodus und Landnahme schließt er sich den Archäologen Israel Finkelstein und Nadav Na'aman an und stellt das biblische Geschehen als völlig unhistorisch dar. Es sei »das einzige verbleibende Rätsel an der Geschichte von Josua und Jericho, wie sie überhaupt entstand« (S. 158).

Bei der Arche Noah – meinem persönlichen Spezialgebiet (siehe: »Das Rätsel der Arche Noah«) – sieht es leider nicht besser aus. Zwar gibt er einen Überblick über angebliche Funde am Ararat und ergänzt diese sogar im Nachwort zur deutschen Ausgabe um die jüngsten Arche-Expeditionen sowie um den Nachbau des biblischen Schiffes in Kentucky. Völlig übersehen hat er jedoch die in den letzten Jahren vermehrt angeführte These, dass der Landeplatz der Arche Noah viel weiter im Süden, am Berg Cudi in der Südosttürkei, zu suchen sei. Selbst Irving Finkel, dessen Buch »The Ark Before Noah« er ebenfalls im Nachwort erwähnt, hat dieser Möglichkeit zuletzt viel Platz eingeräumt.

Letztendlich stellt Eric H. Clines leider nicht die gesamte Vielfalt der Argumente dar, sondern legt sich zumeist auf die Widerlegung der biblischen Geschehnisse fest. Er plädiert zudem ohne weitere Diskussion für eine Spätdatierung des Alten Testaments: »Die Forschung ist sich weitgehend einig, dass das Alte Testament, wie wir es heute kennen, aus vielerlei Quellen kompiliert wurde, von denen die ältesten auf das 9. oder 10. und die jüngsten auf das 6. oder 5. Jahrhundert v. Chr. zurückgehen (S. 22)«. Hier wäre sicherlich spannend gewesen, gerade diejenigen Forscher zu Wort kommen zu lassen, die mit dieser Spätdatierung nicht einig sind. Sie halten aus guten Gründen an einer frühen Abfassung der biblischen Berichte fest und untermauern mit ihren Argumenten sehr stark die historische Glaubwürdigkeit der Bibel.

So ist es insgesamt ein positives Anliegen, wenn ein renommierter Wissenschaftler den biblischen Geschichten auf den Grund geht und den schwärmerischen Abenteurern – die es selbstverständlich gibt – die archäologischen Fakten entgegenhält. Wenn aber entscheidende Argumente zugunsten der Bibel einfach weggelassen werden, kommt doch wieder nur heraus, was wir zur Genüge kennen: Eine selbstgefällige Bibelkritik, die Zweifler in ihrer Skepsis bestätigt und den gläubigen Bibelleser verunsichert und ihn glauben macht, er halte Märchen aus dem Alten Orient für die Richtschnur des eigenen Lebens.

Warum die Arche nie gefunden wird? »Selbst wenn die Arche wirklich existierte, wäre sie inzwischen ungeheuer alt und ihre hölzernen Bestandteile seit Langem zu Staub zerfallen, ohne große Spuren zu hinterlassen« (S. 56). Allein für diese Aussage würde ich ihm Recht geben, doch macht der Archäologe insgesamt klar, dass es zwar größere Überschwemmungen gegeben hat, er jedoch die Existenz einer Arche, wie sie in der Bibel beschrieben wird, für äußerst unwahrscheinlich hält.

Timo Roller

 

 

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